David Fan Bächi ist 25 Jahre alt und tanzt schon, seitdem er 11 war. Tiago und Simon haben mit ihm einen Tag in Bern verbracht und versucht, seine Leidenschaft für das Breakdancen auf eine rohe und realitätsnahe Art zu zeigen.

Interview

In der Schweizer Breakdance-Szene kennt man David Fan Bächi unter dem B-Boy-Namen DEIJVA.  Seit 14 Jahren lebt er sich in dieser Kunstform aus und erzielt dabei auch ansehnliche Errungenschaften, wie die zweifache Schweizermeisterschaft und unterschiedlichen Reisen zu internationalen Dance-Battles.

David, Wie wurde das Breakdancen zu deiner Leidenschaft?

Die erste Berührung zum Breakdancen hatte ich wegen dem Film Step Up mit Channing Tatum. Gegen Ende des Films machte er beim Tanzen einen “Freeze” – damals wusste ich noch nicht, was das ist – aber ich fand das total beeindruckend. Wegen dieser Szene wollte ich danach auch beginnen, zu Breaken. Zu Beginn habe ich erst etwas im HipHop ausprobiert, aber kurz darauf sah ich auf dem Mitteilungsblatt unseres Nachbardorfs, dass sie dort Breakdance-Kurse anbieten. Dort hat das Ganze richtig angefangen. 

Woher findest du neue Inspiration?

Das ist zum Teil ziemlich random. Ich hatte zunächst keine spezifischen Ziele gehabt. Ich wollte einfach einen Move lernen, entdeckte neue Musik oder unterhielt mich mit neuen Tänzern. Das hat auch seine Nachteile, man ist manchmal etwas ziellos und hat einfach Spass. Das ist mega wichtig, aber gleichzeitig hat man auch keine klaren Strukturen, die einem helfen, in seinem Tanzen weiterzukommen.

In anderen Sportarten fokussiert man sich im Training ja meistens auf einen Teilaspekt und übt diese dann ganz gezielt.

Genau, das ist im Breakdancen etwas schwieriger. Da es sich dabei um eine Kunstform handelt, gibt es unzählige Richtungen, die man einschlagen könnte. Daher finde ich es eigentlich gut, dass man keinen persönlichen Trainer hat. So kann man selbstständig herausfinden, was einem passt und was nicht. Gleichzeitig gibt es auch die “Foundation”. Das ist wie ein Grundstock an Bewegungen, auf denen dann alle weiteren kreativen Formen davon aufgebaut oder umgewandelt werden. Wenn man diese schon früh beherrscht, hat man es nachher einfacher, weitere Bewegungen zu lernen. Da hat es mir wiederum gefehlt, dass ich dann niemanden mehr hatte, der mir das konsequent beigebracht hat. Dafür konnte ich total viel herumexperimentieren und herausfinden, welcher Stil mir persönlich am meisten gefällt. 

Was gefällt dir am Tanzen am besten?

Ich glaube nicht, dass es etwas bestimmtes gibt, das mir am besten gefällt. Aber die Bewegungsform im Allgemeinen finde ich sehr schön. Wenn ich das selber tun kann, fühle ich mich sehr wohl dabei. Ich höre sehr gerne Musik und finde die Verbindung sehr schön, die durch das Tanzen beim Reagieren auf die Musik entsteht. Breaken ist auch sehr abstrakt. Du musst deinen Körper auf alle möglichen Arten brauchen. Gemeinsam mit der Musik ergibt das eine schöne Verbindung, die ich noch nie in einem anderen Kontext erlebt habe.

Woran denkst du beim Tanzen?

Wenn es so richtig gut läuft, denke ich an nichts. Alles passiert von alleine. Das sind die schönsten Momente. Wenn ich trainiere, mache ich mir schon auch Gedanken. Das ist vor allem dann so, wenn ich etwas Neues einübe. Das Ziel ist es aber immer, nichts zu denken.

Ist es beim Breakdancen normal, dass man mit der Zeit beginnt, an Turnieren teilzunehmen und sich mit anderen zu messen?

Ja. Battles sind Teil der Breakdance-Kultur. Das ist ein Ausdrucksort, wo du zeigen kannst, was du trainiert hast. Das Battlen ist einfach eine Ausdrucksform des Breakdancen. Du kannst z.B. auch an einen Jam gehen, wo Leute miteinander tanzen, ohne sich zu messen. Aber die Battles sind in der Kultur sehr verankert. Es ist auch etwas, das dich motiviert, immer besser zu werden. Es ist kein Muss, aber es lohnt sich, es auszuprobieren.

Bilden sich da auch Feindschaften unter den Tänzern, oder wird das in Filmen übertrieben dargestellt?

Das ist ziemlich unterschiedlich. Ich sehe die Battles als einen Ort an, an dem ich mich selbst testen kann. Ich fordere mich da selber heraus. Ich kenne aber auch Tänzer, die das Battlen schon als Anfeindung sehen. Das ist also nicht komplett aus der Luft geholt in den Filmen. Natürlich wird es dramatischer dargestellt, aber ich war schon an Battles dabei, wo sich zwei Breaker wirklich nicht mochten. 

Du hast keinen Erzfeind?

Nein. Noch nicht. Oder nicht mehr…? (lacht)

Was war dein bisher grösster Erfolg?

Ich denke schon, dass ich 2021 und 2022 das Red Bull BC One gewonnen habe. Das ist die inoffizielle Schweizer Meisterschaft im Breakdancen. Im Ausland habe ich bisher noch nicht viele Erfolge gehabt, aber ich trainiere darauf hin. 

Du setzt also immer mehr deinen Fuss ins Ausland.

Ja, da ist es nochmals interessanter und herausfordernder.

Wird man an ein internationales Battle eingeladen oder lädt man sich selbst ein?

Man lädt sich selbst ein. Wenn du genug motiviert bist, um Zeit und Geld zu investieren, gehört das irgendwie auch zum Lifestyle dazu.

Warum machst du das?

Ich will auf internationalem Niveau mithalten können. Das schaffe ich aktuell nur bedingt. 

An was liegt das?

An vielen Sachen. Es gibt beim Breakdancen viele Facetten, die man trainieren kann. Es gibt keinen goldenen Weg zum Erfolg. Es sind sehr technische Aspekte, auch der Feinschliff dessen, was man schon beherrscht. Ich mache das aber nicht, weil ich einen bestimmten Titel gewinnen möchte. Ich will einfach tanzen, so lange wie möglich dabei sein und im Breaken auch neue Dinge entdecken.

Welche Träume hast du noch?

Ich würde total gerne noch öfter in diese Flow-Momente kommen, die ich vorhin beschrieben habe. Und zwar in jeder Situation. Das ist auch ein weiterer Grund, warum ich immer mehr international tanze. Ich fordere mich selbst heraus, auch in den Momenten, in denen man total nervös ist, einen richtig schweren Gegner hat, in diesen Flow-State zu kommen. Einer meiner Träume ist also, das möglichst oft auf einem möglichst hohen Niveau zu schaffen. Dieses Gefühl ist unbeschreiblich, das man nicht erklären kann. 

Wie bist du auf deinen Namen gekommen?

Meine Freunde gaben mir den Spitznamen, aus Spass. Deijva Flave. Sehr ironisch eigentlich, davor nannte ich mich einfach David. Aber an dem neuen Namen ist eigentlich cool, dass man sich eine Persona aufbauen kann.

Schmerzt es am Kopf, wenn du Pirouetten machst?

Kommt darauf an, auf welchem Boden. Auf dem Parkett ist es kein Problem. Aber sonst schmerzt es schon sehr oft. Und man verliert seine Haare.

Das wäre die nächste Frage gewesen!

Es gibt wirklich krassen Haarausfall. Ich habe schon richtig schlimme Dinge gesehen. Bei mir selber beginnt es auch schon. Aber zum Glück habe ich dichtes Haar und brauche eigentlich immer eine Mütze beim Tanzen. Wir sagen dem „Breaker-Glatze“. 

Du musstest immer mal wieder verletzt pausieren. Wie gehst du mit solchen Phasen um?

Es kommt darauf an, wie schlimm die Verletzung ist. Ich hatte jetzt zum Glück schon länger keine grössere Verletzung mehr gehabt. Die letzten paar Male haben mich aber schon etwas runtergezogen. Ich merke einfach, wie erfüllend Breakdancen für mich ist. Wenn mir das fehlt, ist zu Beginn wie ein Loch da, das ich nicht zu füllen weiss. Es ist eine gute Herausforderung, auch neben dem Tanzen noch Dinge zu haben, die mich nicht gleich, aber annähernd erfüllen. 

Kann man vom Breakdancen leben?

Ja. Kommt darauf an, in welchem Land. In der Schweiz geht das, aber es ist sehr anstrengend. Es gibt nicht viele Möglichkeiten: Entweder du gibst Unterricht – das machen die meisten – was körperlich und mental aber sehr anspruchsvoll ist, für das Geld, das am Ende dabei rausschaut. Vom vielen Unterrichten reicht die Kraft danach vielleicht nicht mehr aus, um selbst noch zu trainieren. Dann gibt es noch diejenigen, die Shows machen und sich in eine kontemporäre Richtung bewegen. Auch dabei wird man sicher nicht reich, aber es kann eine sehr schöne Erfahrung sein. Es kostet aber viel Kraft, man hat viele Termine, sodass am Ende nicht mehr viel Zeit für Training und Battles bleibt.

Hast du Vorbilder?

Buz aus Zürich, der breakt schon seit über 20 Jahren und hat stark geholfen, das Dynamo aufzubauen, wo ich schon viel gratis trainiert habe. Dann gibt es noch Zaki* aus Bern, der auch schon über 40 Jahre alt ist. Er breakt auch nur, weil er Freude daran hat. Ein richtig positives Mindset. Dann meine Crew, Flowdue. Wir sind zu fünft, und ich finde richtig inspirierend, wie sie ihr Leben leben und das in ihr Tanzen einfliesst.

Wie kommst du auf neue Moves?

Boah. Kurzversion? Es gibt verschiedene Wege. Ich habe manchmal per Zufall eine Vorstellung im Verlauf vom Tag, wie ich etwas kombinieren könnte. Das passiert ziemlich oft. Ich höre Musik, die mich berührt, die etwas in mir auslöst. So, dass ich eben nicht mehr viel nachdenke, sondern einfach schaue, was passiert. Oder ich hirne konsequent an einem Move herum. Da gehe ich von einem Basismove aus und baue den weiter aus. Das sind die drei Wege, die ich normalerweise brauche. Es gibt aber unendliche Wege, neue Moves zu kreieren.

Man kopiert also nicht einfach von anderen B-Boys?

Es kommt darauf an. Wenn du einen Move kreierst, der so einzigartig ist und den so oft zeigst, dass man ihn mit dir konnotiert, dann nennt man das Signatures. Normalerweise kopiert man diese in der Breakdance-Community dann nicht, weil das respektlos wäre. Aber da es mittlerweile so viele Breakdancer auf der ganzen Welt gibt, ist das etwas verloren gegangen. Es gibt eine Bewegung innerhalb der Community, die sich nicht mehr so darauf fokussiert, eigene Sachen zu kreieren, sondern möglichst schwierige Moves zu beherrschen. Ich finde aber, dass dadurch etwas verloren geht, was im Breakdancen ganz zentral ist: Seine Einzigartigkeit zu finden.

Gibt es einen Deijva-Signature Move?

Ja. Schon so zwei, drei kleine Sachen. Aber ich bin jetzt nicht dafür bekannt, dass ich DEN Move habe. Mich erkennt man eher daran, wie ich an einem Battle auftrete. Mein Gesamtpaket macht es aus. Ich habe schon viele eigene Moves, die ich kreiert habe, aber sie stechen nicht so stark heraus wie bei anderen. 

Dauert es lange, eine neue Idee umzusetzen?

Kreativ oder technisch?

Beides.

Manchmal hast du es nach 10 Minuten, andere Male hast du 5 Jahre an einem Move. Es ist nicht eine gerade Entwicklungslinie, die stetig nach oben geht, sondern du hast eine Idee und nachher arbeitest du mit dieser. Dann denkst, du hast es gefunden, aber nach einem halben Jahr fällt dir etwas Neues an, was du anpassen könntest. Drei, vier Jahre später hast du langsam genug davon, weil du ihn so oft gemacht hast und änderst ihn erneut. Das ist ein stetiger Prozess. Ich habe Moves, die ich seit Jahren beherrsche, die ich immer wieder angepasst habe, weil mir etwas daran nicht mehr gefiel oder noch Ergänzung brauchte. Manchmal vergesse ich auch alte Moves, um sie dann in einem Video von mir zu sehen und wieder aufzunehmen. Daher ist das eher ein Wirrwarr statt ein geradliniger Prozess. Du wirst nie an eine “Endform” eines Moves kommen, weil es immer wieder Neues daran zu entwickeln gibt.

Im technischen Bereich kannst du relativ schnell viele Dinge lernen, wenn du gut tanzt und diszipliniert bist. Aber es kommt darauf an, wie stark dein Wille ist, konsequent zu trainieren und wie schwierig der Move ist. Kleines Beispiel: Beim “Flare”, den es im Kunstturnen ja auch gibt, hatte ich sicher sieben bis acht Jahre, um ihn zu lernen, weil ich ihn eine lange Zeit nicht konsequent trainiert habe. Dann gab mir jemand den entscheidenden Tipp, seitdem ich den Move eigentlich einwandfrei beherrsche. Das lag sicherlich daran, dass ich, sobald ich ihn einigermassen konnte, nicht mehr diszipliniert daran gearbeitet habe. Das zieht den ganzen Prozess in die Länge.

Wie suchst du dir die passende Musik aus?

Einfach reinhören. Wenn du es fühlst, dann fühlst du es.

Das kann jegliche Musik sein?

Ja. Alles. 

Klassische Musik auch?

Alles. Ludovico Einaudi habe ich eine Zeit lang viel gehört beim Tanzen. Aktuell höre ich viele Anime-Openings, um Power-Moves zu trainieren. Solange es etwas in dir auslöst und dich motiviert, ist alles möglich. Je nachdem, was du trainieren möchtest, passt natürlich eine gewisse Art von Musik besser als andere. Im Endeffekt sind dem aber keine Grenzen gesetzt. Es kann Rock, Pop, Metal, Techno sein – solange es etwas in dir auslöst, ist alles möglich.

Dann ist es also ein veraltetes Klischee, dass man Breakdancen mit HipHop verbindet?

Es ist ein Klischee, das immer noch stimmt. Es ist wie die Basis für unser Tanzen. An den Jams läuft viel HipHop oder Funk. BoomBap auch noch. Das lassen sie dann auch an den Battles laufen. Es passt einfach gut zum Breaken, weil es wie mit dem gross geworden ist. Aber im Endeffekt, vor allem im Training, kannst du wirklich zu allem tanzen. Es spielt wirklich keine Rolle. Ich finde es sogar gut, wenn du andere Musik hörst, weil sich dir Welten auftun, die du sonst nie betreten hättest, wenn du in der gleichen Musik bleiben würdest.

Ohne Musik trainieren ist auch möglich?

Habe ich auch schon. Ist aber ziemlich schwierig, aber eine schöne Erfahrung.

Kommst du dann auch in dieses Gefühl, das du vorher beschrieben hast?

Manchmal ist es fast noch einfacher. Weil wenn du Musik hast, gibt es einen vorgegebenen Takt. Du hast nachher das Gefühl, dass du etwas erfüllen musst. Wenn du keine Musik hast, bist du dein eigenes Instrument. Du musst dir keine Gedanken darüber machen, ob es passt oder nicht. Man kann einfach sich selbst sein in diesem Moment.

Spielt dann in deinem Kopf eine eigene Melodie oder ein Beat?

Es ist eher ein Rhythmus und weniger eine Melodie. Wenn das Breakdancen ein Instrument wäre, würde ich es eher als Schlagzeug definieren. 

4/4- oder 6/8-Takt?

4/4. Wir Breaker sind sehr simpel. 6/8 ist schon fast zu kompliziert für uns. Es würde vom Gefühl her schon gehen, aber es ist eigentlich alles auf 4/4 getrimmt, auch im HipHop, beim Funk eigentlich auch. Es kommt sehr selten vor, dass eine andere Taktart gewählt wird.

Welche Rolle spielen die Sozialen Medien im Breakdancen?

Es kommt darauf an, wie man das Breaken nutzen möchte. Wenn du davon leben willst, spielt es eine grosse Rolle. Man hat einfacheren Zugang zu Sponsoren, das Vernetzen fällt einfacher und es ist natürlich ein Selbstdarstellungportal, auf dem man zeigen kann, wie gut man ist. Im Allgemeinen ist es natürlich cool, über eine Plattform mit anderen Tänzern Kontakt zu haben, die man nicht persönlich treffen kann.

Hast du Social Media?

Nein. Wir haben mit unserer Crew einen Instagram-Account, das reicht mir auch schon. Ich merke es aber schon auch. Wenn ich jetzt einen eigenen Account hätte, könnte ich meinen eigenen “Brand” viel mehr pushen. Aber es interessiert mich nicht so, weil das gar nicht mein Lebensstil ist. Erfolgstechnisch wäre es schon attraktiv, weil du sicher mehr für internationale Events eingeladen wirst. Wenn du keine sozialen Medien hast, bist du wie ein Geist. Man kennt dich zwar, aber doch nicht so richtig. Es ist eher so ein Underground-Feeling.

Gefällt dir das?

Ich würde mich nicht unbedingt als “underground” bezeichnen, aber ich weiss schon, dass ich in der Breaker-Szene nicht im Vordergrund unterwegs bin. Das ist auch okay für mich. Ich will gar nicht, dass mich die ganzen Szene-Themen und der ganze Wettbewerb mich zu fest einsaugen. Ich habe das Gefühl, das tut mir und meinem Selbstwert nicht gut, wenn ich mich nur durch das Breakdancen definiere. Indem ich so unterwegs bin wie jetzt, komme ich viel weniger in dieses Star-Feeling hinein. Wenn du dann an einen Jam gehst und alle kennen dich und du präsentierst dich auch so, kann man ziemlich schnell Starallüren kriegen. Ich finde das nicht gesund und will das nicht. Es wäre gelogen, zu sagen, dass mich das gar nicht berühren würde. Klar steigt mein Selbstwertgefühl, wenn man weiss, dass die anderen einen kennen und als guten Tänzer ansehen, aber das soll nicht der Hauptantrieb zum Tanzen sein. Es ist ein schönes Gefühl, aber ich finde, man sollte immer bescheiden bleiben, egal wie gut man ist. 

Was braucht die Tanzszene in der Schweiz deiner Meinung nach?

Die Schweiz hat eine sehr herzliche und soziale Szene. Ich finde, es gibt im Bereich der Homophobie und toxischer Männlichkeit noch einige Probleme. Es fehlt sicher noch eine gewisse Tiefe, in der man sich noch mehr mit dem Tanzen auseinandersetzt. Viele sind gut, aber folgen einfach dem Hype. Nur wenige befassen sich tiefgründig mit dem Breakdancen. Darum haben wir auch nicht viele Charaktere, die international herausstechen. Das braucht viel Forschungsarbeit und Zeit zum Nachdenken, bis man einen einzigartigen Charakter entwickelt hat. 

Was dafür international noch fehlt, ist eine Form der Grundbescheidenheit. Es geht so viel ums Aussehen und den Style, um das Wer-kennt-wen. Das finde ich ab einem gewissen Punkt schade, denn was das Breaken so interessant macht, ist das Tanzen an sich. Wenn man es zu fest daran aufhängt, wer jetzt mit wem abhängt, macht es das etwas kaputt. 

Versuchst du, etwas mit deinem Tanzstil zu vermitteln?

Ich tanze primär für mich. Wenn andere dann etwas aus dem schöpfen können, ist das schön, aber nicht etwas, das ich im Voraus beabsichtige. Tanz sollte in erster Linie wirklich aus einem eigenen Expressionsbedürfnis entstehen, ansonsten geht der Grundgedanke der Kunst für mich verloren. 

Was hast du aufgrund deines Tanzen über das Leben verstanden?

Boah. So viel. Ich habe einen guten Trainingsspirit mitgenommen und erkannt, dass es sich lohnt, dranzubleiben, sich in etwas zu investieren und das dann auch zu beherrschen. Kurzfristig erkennt man das vielleicht nicht direkt, aber langfristig lohnt es sich, diszipliniert zu sein. Diese Disziplin prägt mich jetzt auch in meiner Studienzeit, wodurch alles viel einfacher wird. Das ist aber etwas, das ich sehr spät verstanden habe. 

Weiter habe ich erkannt, dass es wichtig ist, eine Leidenschaft für etwas zu haben. Nicht einmal unbedingt das Breakdancen. Aber etwas nicht aus finanziellen Antrieben zu tun, sondern einfach weil man Freude daran hat – das finde ich sehr wichtig und erfüllend. Eine Passion zu entwickeln ist ein unvergleichbares Gefühl, das man nicht mit einem Job vergleichen kann, in dem man viel Geld verdient oder viel Autorität geniesst. Dieses Alleinsein und eine intime Beziehung zu dem aufzubauen, was man liebt, finde ich etwas vom Schönsten im Leben, das es gibt.